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Eine Woche im Zeichen des Schulgartens - Tag des Schulgartens 2017 und Erster Bundesschulgartentag (20. und 22./23.06.)

Unter dem Motto „Heute für Morgen säen“ fand am 22. Juni 2017 in Berlin der Erste Bundesschulgartentag statt. Zwei Tage zuvor, am 20. Juni 2017, wurde bundesweit der „Tag des Schulgartens“ begangen: Über 150 Schulen und andere Einrichtungen mit gartenpädagogischen Angeboten öffneten von Rostock bis Freiburg ihre Gartenpforten. Sie luden Kinder und Erwachsene, Nachbar*innen und Unterstützer*innen sowie Vertreter*innen von Politik, Gesellschaft und Medien
ein, sich die vielfältigen Leistungen des Schulgartens für die Bildung und Persönlichkeitsentwicklung von Heranwachsenden konkret anzuschauen und mitzuerleben. Die Beiträge der Schulen zum „Tag des Schulgartens“ zeigen die große Vielfalt, Kreativität und Freude, mit der die ganze Bandbreite der pädagogischen Möglichkeiten dieses besonderen Lern- und Lebensortes in den Schulgärten Deutschlands – und darüber hinaus – umgesetzt wird. Die Rückmeldungen zum „Tag des Schulgartens“ waren so positiv, dass die BAG Schulgarten nächstes Jahr, am 12. Juni 2018, erneut einen „Tag des Schulgartens“ ausruft. Diesmal wird unter den Teilnehmer*innen ein Preis ausgelost. Die über 90 Teilnehmer*innen des Ersten Bundesschulgartentages am 22. Juni in Berlin fanden die Fotos vom „Tag des Schulgartens“ inspirierend. Expert*innen, Multiplikator*innen und Interessierte aus fast allen Bundesländern sowie aus Luxemburg, Österreich und Ungarn tauschten sich über Rahmenbedingungen für erfolgreiches Schulgärtnern in Theorie und Praxis aus. 

Im Ergebnis der Tagung wurde deutlich, dass der Schulgarten zurzeit bundesweit und international ein großes Comeback erlebt, aber noch unzureichend strukturell im Bildungssystem verankert ist. Bei allen Bildungsverantwortlichen ist ein großer Konsens zu spüren, den Lernort Schulgarten zu fördern, daher ist es jetzt an der Zeit, konkrete Schritte einzuleiten: Die Schulträger könnten Schulgärten einrichten und für deren gärtnerische Grundsicherung sorgen, die Bildungsministerien könnten den Schulgarten in den Bildungspläne sowie in der Lehrerausbildung verankern, damit geschultes Personal für den Schulgarten-Unterricht zur Verfügung steht.

Vorträge und Workshops am 22.06.
Nach einem fulminanten Auftakt durch eine Trommel- und Tanzgruppe der Caspar-David-Friedrich-Oberschule wurden die Teilnehmer*innen der Tagung von Dr. Dorothee Benkowitz, der Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Schulgarten begrüßt. Dagmar Pohle, Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Marzahn und Gordon Lemm, Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Jugend und Familie, bekräftigten in ihren Grußworten den politischen Willen, allen Schulen in Marzahn künftig einen Schulgarten zur Verfügung zu stellen. Prof. Dr. Klaus Neumann, der Präsident der Deutschen Gartenbaugesellschaft 1822 e. V., wies in seinem Grußwort auf die elementare Bedeutung von Grün in der Stadtentwicklung hin und hob die Bedeutung von Schulgarten-Erfahrungen für die Entwicklung von Wertschätzung für Natur und Grün hervor. Sandra Niehaus überbrachte Grußworte des Kooperationspartners Slow Food Deutschland e.V. und betonte die gemeinsame Zielsetzung der beiden Vereine im Hinblick auf die Bildung von Ernährungssouveränität. Heike Boomgaarden, bekannt als TV-Gartenexpertin und Initiatorin der „Essbaren Stadt“ Andernach, zeigte in ihrem Einführungsvortrag, dass der Garten ein Ort ist, in dem die von der UN definierten Kinderrechte besonders gute Entfaltungsbedingungen finden. Der Fachvortrag zum Titelthema „Heute für Morgen säen – Schulgarten als Perspektive“ von Dr. Dorothee Benkowitz und Dr. Birgitta Goldschmidt fasste die vielfältigen Potenziale des Schulgartens insbesondere im Hinblick auf eine Bildung für nachhaltige Entwicklung zusammen. Im Vorgriff auf die am Nachmittag stattfindenden Workshops wurden die aktuellen Rahmenbedingungen für Schulgartenarbeit in Deutschland kritisch analysiert: Wo der Schulgarten nicht in den Bildungsplänen verankert ist, ist er ein Lernort, der nur mithilfe viel ehrenamtlichen Engagements angeboten werden kann. Diese Situation wird dem pädagogischen Potential des Schulgartens in keiner Weise gerecht. Im anschließenden Podiumsgespräch unter dem Titel „Der Schulgarten in Deutschland: Potenziale nutzen, Mitstreiter finden, Hindernisse überwinden“ wurden weitere Impulse für die Themen, die am Nachmittag in den Workshops auf dem Programm standen, gegeben. Moderiert wurde das Gespräch von Katy Wenzel, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Erfurt, der einzigen deutschen Universität, die das Studienfach „Schulgarten“ für Grundschulstudierende anbietet. Ihre Kollegin Simone Buss erklärte in ihrem Beitrag, wie wichtig Erfahrungslernen auch für Studierende ist. Auf die Frage, welche besonderen Kompetenzen Schulgarten-Lehrer*innen auszeichnen, nannte Christian Puschner, Mitarbeiter am Landesbildungszentrum für Umwelterziehung Baden-Württemberg, u.a. die Fähigkeit, flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagieren zu können. Angelika Ziegler, ehrenamtliche Mitarbeiterin und Mitbegründerin des Slow Mobil Karlsruhe e.V., berichtet von einer Aktion, die Slow Food gemeinsam mit dem Slow Mobil und der PH Karlsruhe zum „Tag des Schulgartens“ in einer Karlsruher Grundschule initiiert hatte. Besonders beeindruckt war sie von der großen Begeisterung der Kinder für Essen aus dem eigenen Garten und die Möglichkeit, selbst mitzugestalten statt nur zu „konsumieren“. Einen „Blick über den Gartenzaun“ eröffnete den Teilnehmer*innen Dr. Donata Elschenbroich. Die Pädagogin und Publizistin, bekannt vor allem durch ihr Buch „Das Weltwissen der Siebenjährigen“, zeigte einen Ausschnitt aus dem Film „Children and Soil“, den sie jüngst in Indien gedreht hat. Darin wurde gezeigt, wie Kinder in Indien im Schulgarten nicht nur gartenbauliche Techniken lernen, sondern auch altersgemäß anspruchsvoll naturwissenschaftlich forschen. Sie hob hervor, dass neben den unbestreitbaren „soft skills“ auch intellektuell-wissenschaftliches Lernen im Schulgarten stattfindet.
Die Pausen konnten für intensive Gespräche, Austausch und Vernetzung genutzt werden. Kulinarisch verwöhnt wurden die Teilnehmenden währenddessen durch die Schülerfirma „Just Eat“ der Heinz-Brandt-Oberschule.
In den Workshops am Nachmittag ging es um aktuelle Themen in der Schulgarten-Debatte:
Bildungspläne und Schulgartenpraxis, Implementierung des Schulgarten in die Lehrer-(Aus- und
Weiter-)Bildung, Unterstützungsstrukturen und Kooperationspartner, Beratung und Finanzierung sowie Schulgarten-Forschung. Die Ergebnisse der Workshops werden in einem Tagungsband
veröffentlicht.
Die Veranstaltung wurde durch das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung gefördert, die Schirmherrschaft übernahm Bundesminister Christian Schmidt. Finanziell unterstützt wurde der Bundesschulgartentag von der Mainau GmbH, der Firma Neudorff, der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts sowie vom Kleingärtnerverband Sachsen. Die IGA stellte die „IGA-Markthalle“ als Veranstaltungsraum kostenlos zur Verfügung. Kooperationspartner waren die Deutsche Gartenbaugesellschaft 1822 e. V. und Slow Food Deutschland e. V.

Exkursionen am 23.06.
Zusammen mit der Initiative „Grün macht Schule“ der Berliner Senatsverwaltung organisierte die BAG Schulgarten drei Exkursionen zu Schulgärten in Berlin sowie zur Internationalen
Gartenausstellung (IGA) in Berlin-Marzahn. Die Exkursion auf die IGA wurden kompetent und engagiert von Beate Reuber, Senior-Parkmanagerin der Gärten der Welt, und André Ruppert, dem Projektleiter des IGA Campus, geleitet. Beeindruckt zeigten sich die Teilnehmer*innen von den innovativen gärtnerisch-pädagogischen
Projekten des IGA-Campus, wobei der „Weltacker“ einen besonders tiefen Eindruck hinterließ. Auf 2000 Quadratmetern werden hier anteilmäßig diejenigen landwirtschaftlichen Produkte angebaut, die ein Bewohner unserer Welt im Jahr im Durchschnitt konsumiert. So wurde einerseits die Fläche veranschaulicht, die einem Menschen sein Überleben sichert, andererseits die Vielfalt der Nutzpflanzen, die für die verschiedenen Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Treibstoff usw. nötig sind. Überraschend war für die meisten, wie unterschiedlich viel Fläche für eine Mahlzeit nötig ist: Für ein Schnitzel mit Pommes und Salat braucht man ein mehr als drei Mal so großes „Beet“ wie für Spagetti mit Tomatensauce.
Die zweite Exkursion hatte Schulgärten in Berlin-Marzahn zum Ziel. Die Exkursion wurde von der Marzahner Lehrerin a.D. Gerda Schneider durchgeführt, die 35 Jahre ehrenamtlich die AG „Junge Gärtner“ leitete. Zunächst ging die Exkursion an die Selma-Lagerlöf-Grundschule, die sich durch die intensive und gut durchdachte Gemüse-und Obstbepflanzung, den gepflegten Zustand und die starke Identifikation der Kinder mit dem Schulgarten auszeichnet. An der Peter-Pan-Grundschule wurde eindrucksvoll gezeigt, wie man Freiflächen als Schulgarten nutzen kann. Die Kinder gärtnern auf den Flächen des „Spiel/Feld Marzahn e. V.“, einem Gemeinschaftsgarten auf einer städtischen Brachfläche. Die Caspar-David-Friedrich-Oberschule ist eine Integrierte Sekundarschule und hat die Ideen der „Essbaren Schule“ in ihr Schulprogramm aufgenommen, um die Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen im Alltag zu verbessern und Gesundheits- und Umweltbewusstsein der Jugendlichen ganzheitlich zu fördern. In der Schulversorgung werden nachhaltig und selbst erzeugte Lebensmittel verwendet. Hierfür wurde die Schulküche ausgebaut, die Schulgärten erweitert und mit Anbietern und Erzeugern aus der Region kooperiert, um regionale, frische und nachhaltige Lebensmittel zu verarbeiten. Die dritte Exkursion wurde organisiert und geleitet von Manfred Dietzen von „Grün macht Schule“, einer Beratungsstelle für ökologische und kindgerechte Schulhofgestaltung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Die Exkursion führte in verschiedene Projekte in Neukölln und angrenzende Bezirke. Im Rahmen einer ökologischen Schulhofumgestaltung vor mehr als 15 Jahren wurde an der Reinhardswald Grundschule der Schulhof umgestaltet und ein Schulgartenbereich eingeplant. Der Schulhof samt Schulgarten wird bis heute intensiv bespielt und bewirtschaftet. Er gilt als gutes Beispiel einer nachhaltigen und partizipativen Schulhofgestaltung. Anschließend stand der besonders schöne Schulgarten der Regenbogenschule und der nahe gelegene Comenius-Garten auf dem Programm. Für viele Berliner Schulgärtner*innen ist der Comenius-Garten ein einzigartiger Garten der Inspirationen. Mittags ging es in die größte Gartenarbeitsschule Berlins, die August-Heyn-Gartenarbeitsschule in Neukölln. Das 3,3 Hektar große Gelände bietet jedes Jahr ca. 40.000 Schülerinnen und Schüern des Bezirkes ein vielfältiges Bildungsangebot. Auguste Kuschnerow, ehemalige Leiterin der Gartenarbeitsschule, führte durch den Garten und zeigte den Stellenwert der Beetarbeiten, naturwissenschaftlicher Themen und gesunder Ernährung für die Bildungsarbeit auf. Am Nachmittag wurde der Schulgarten der Otto-Hahn-Schule, einer Integrierten Sekundarschule, besichtigt. Abschließend lernten die Teilnehmer*innen das vor 15 Jahren mit Hilfe von „Grün macht Schule“ ökologisch umgestaltete Außengelände der Hermann-von-Helmholtz-Schule kennen. Auf Wunsch der an der Planung intensiv beteiligten Schulgemeinschaft wurde ein Schulgartenareal angelegt, in dem bis heute intensiv pädagogisch gegärtnert wird.

Ausblick auf 2018

Gemeinsam mit dem BMEL laden wir alle Interessierten zur nächsten Jahrestagung nach Rostock ein. Unter dem Titel „Wurzeln schlagen – Im Garten fürs Leben lernen“ wird der Schulgartenkongress zusammen mit dem 1. Mecklenburgischen Schulgartentag vom 27. bis 29.09.2018 an der Universität Rostock stattfinden.

Heute für morgen säen – Erster Bundesschulgartentag in Berlin/Marzahn, Tagungsband

hier können Sie den Tagungsband herunterladen (PDF 5,2 MB)